Für alle

Grüße zum Sonntag (3.5.20)

Impuls für den 3. Sonntag nach Ostern (3.5.2020) zu Johannes 16, 16-23

von Pastorin Verena Bernhardt

Wiedersehen

Verena Bernhardt

Einmal, wenn alles überstanden ist, dann werden wir uns wiedersehen. Dann werden wir nachholen, was wir versäumt haben: den Geburtstag, das Hochzeitsjubiläum, das Treffen mit alten Freunden. Je mehr Wochen ins Land gehen, die wir getrennt voneinander verbringen müssen, umso größer wird diese Sehnsucht. Sich einmal wieder richtig begegnen zu können, nicht nur über Telefon, Skype oder Nachrichten auf dem Handy. Endlich wieder Zeit miteinander verbringen und gemeinsam lachen dürfen.

In diesen Tagen vermissen viele von uns die Eltern und Großeltern, die (fast) erwachsenen Kinder oder den Lebenspartner. Die Zeit ist lang und die Ungewissheit, wann so ein Wiedersehen sein wird, quälend.

„Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen.“, so lautet ein Satz aus dem Johannesevangelium, den Jesus seinen Jüngern mit auf den Weg gegeben hat. Er ist Teil der Abschiedsreden, die der Evangelist komponiert hat. Immer wieder wird er so oder ähnlich in ihnen wiederholt. Immer wieder die eine Botschaft des Herrn: „Jetzt noch bin ich unter Euch aber diese Zeit wird zu Ende gehen. Dann werden wir getrennt sein.“ Wie lange, das bleibt für die Freunde Jesu offen.

Die ersten Christen waren noch davon überzeugt, dass Jesus bald wiederkommen würde. Sie malten sich aus, wie groß ihre Freude sein würde. Dann aber starben nach und nach alle, die ihn persönlich gekannt hatten. Jahrzehnte gingen ins Land. Schließlich ein Jahrhundert. Die Hoffnung aber blieb. Sie war nicht mehr so unmittelbar wie in den ersten Jahren. Und doch war sie untergründig noch immer zu spüren. Gerade, wenn das Leben schwer und drängende Fragen übermächtig wurden.

„Auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und eurer Herz soll sich freuen und eure Freude soll niemand von euch nehmen. Und an jenem Tag werdet ihr mich nichts mehr fragen.“, so sagt es Jesus im Johannesevangelium, das etwa 100 n. Chr. (also 70 Jahre nach Jesu Erdenleben) entstanden ist.

Nein, so lange wird es nun gewiss nicht dauern, bis wir unsere Lieben wiedersehen. So lange wird ein Virus nicht wüten und ein Lockdown keinen Bestand haben! Aber das Gefühl des Wartens passt in diese Zeit zwischen Ostern und Pfingsten.

Warten, dass etwas geschieht, auf das wir selbst keinen Einfluss haben. Warten, dass sich der Himmel auftut, dass wir wieder ohne Sorgen leben können, dass wir frei sein dürfen. Es ist ur- christlich im Wartemodus zu leben und ebenso ur-christlich ist es, an der Hoffnung festzuhalten, dass dieser Tag einmal kommen wird.

Dann wird sich unsere Traurigkeit verwandeln. Dann werden wir einander wieder umarmen können und lachen und unsere Freude wird uns keiner nehmen können.

Soweit die Andacht von Verena Bernhardt.

Felix Mendelssohn Bartholdy: Sonate Nr. 3 über den Luther-Choral „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“

Die Vorgeschichte

Als ich 11 Jahre alt war, hat meine Klavierlehrerin vorgeschlagen, ich solle doch Orgelspielen lernen. Zum Glück hatte der Kantor an der Stadtkirche in Unna, Martin Weimann, einen Platz frei. Und so hatte ich nach den Sommerferien 1987, mit 12 Jahren, meine erste Orgelstunde!

„Wer Orgel spielen lernt, muss auch im Chor singen“, so war Martin Weimanns strenge Regel. Ich schielte neidisch auf den Knabenchor in Unna, weil die Jungs ja eh immer viel coolere Sachen machen. Aber der Mädchenchor mit seinen 65 Mädchen im Alter von 10 bis 18 Jahren sollte es sein. „Singen, immer dieses Gejaller!“ erinnere ich mich gesagt zu haben. Singen fand ich blöd. Ich hatte erfolgreich alle Kinder- und Schulchöre gemieden! Und so ging ich zu meiner ersten Chorprobe mit einer freudigen Erwartung wie bei einem Zahnarzttermin – es war ein notwendiges Übel, denn ich wollte ja Orgel spielen lernen.

Allerdings wurde ich schnell bekehrt und liebte den Chorgesang und die Gemeinschaft sehr. Der Mädchenchor Unna machte gleich im nächsten Jahr eine Konzertreise. Und der Organist, der die Reise begleitete, spielte als Stück zwischendurch diese wunderbare Orgelsonate von Mendelssohn.

Damals, als es noch kein Youtube gab, und dem Anhören eines speziellen Stücks meist der Kauf einer speziellen CD voraus ging, [das natürlich auch nicht online, sondern im Spezialladen oder bei Saturn in Dortmund, also 30min Zugfahrt], war das natürlich ein riesiges Musikerlebnis. Ich durfte dieses Orgelstück sechsmal im Konzert hören. Es wurde ein Ohrwurm und ein echtes Lieblingsstück.

Selbst gespielt habe ich sie erst mit 24 Jahren. Als ich nach meinem Lehramtsstudium noch Kirchenmusik studieren wollte, habe ich sie für die Aufnahmeprüfung einstudiert. Falls ich durchfallen würde, so dachte ich mir das damals, hätte ich doch zumindest noch eins meiner Lieblingsstücke gelernt. Durchgefallen bin ich nicht und ich spiele die Sonate sehr gerne.

Zum Stück

Mendelssohn Sonate A-Dur 2. Satz
Mendelssohn Sonate A-Dur 2. Satz
Anfang

Der erste Satz der Sonate hat drei Teile: Er beginnt festlich in A-Dur im vollen Orgelklang für eine gute Minute. Diese Musik wird am Ende des Satzes auch wieder aufgegriffen. Der Mittelteil steht in a-Moll und ist eine Doppelfuge. [Eine Doppelfuge funktioniert so: erst gibt es eine Fuge über das erste Thema. Dann gibt es eine Fuge über das zweite Thema. Dann gibt es einen Teil, in dem beide Fugenthemen gleichzeitig vorkommen.] Und im Pedal erklingt der Choral „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“.

Soweit die Form des ersten Satzes. Was aber macht diese Musik emotional so ergreifend? Da möchte ich gerne auf zwei Dinge hinweisen:

Fugenthema 1

Das erste Fugenthema hat einen Tritonussprung vom dritten zum vierten Ton. Das Intervall „Tritonus“ symbolisiert den Teufel in der Musik. Es ist schwer zu singen, wirkt fremd, fern und bedrohlich. Es bereitet einem beim Hören Unbehagen. Wir spüren die „tiefe Not“, von der im Choral die Rede ist.

Fugenthema 2

Mit Einsetzen des zweiten Fugenthemas soll man beim Spielen ein sehr langgezogenes Accelerando, eine Beschleunigung, spielen. Tempo ist in der Musik ein Faktor für Energie. Dadurch, dass die Musik immer schneller wird, bekommt sie immer mehr Energie. Zusammen mit der Motivik und Harmonik wird es immer dramatischer und erregter. Die innere Not des lyrischen Ichs aus „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ spitzt sich immer mehr zu! Es wird aufregistriert, man zieht immer mehr Register und es wird lauter. Die Musik bekommt noch mehr Energie.

Dann gibt es eine Überleitung in den dritten Teil des ersten Satzes, in der das erste Fugenthema im Pedal erscheint und sich noch ein letztes Mal aufbäumt. Aber das Gute, in diesem musikalischen Kampf durch das Tongeschlecht Dur ausgedrückt, siegt und entfaltet im Schlussteil seinen Glanz und seine Herrlichkeit.

Ein zweiter Satz schließt sich an: Andante tranquillo. Ruhig gehend. Es ist die Ruhe nach dem Sturm, Musik wie eine schöne Blumenwiese. Beruhigt, getröstet, glücklich, sanft.

Die Aufnahme ist schon etwas älter, von 2011. Dort spiele ich die Sonate an der Schuke-Orgel in der Kirche am Markt in Hamburg-Niendorf.

Viel Freude beim Hören! Ich wünsche euch einen schönen Sonntag. Viele Grüße,
Gudrun

4 Kommentare zu “Grüße zum Sonntag (3.5.20)

  1. Anonymous

    Danke für die großartige Musik, liebe Gudrun! Ich genieße sie auf meinem Sofa, Pott Kaffee in Reichweite und Sonne draußen und im Herzen!
    Liebe Grüße an dich und Kirsten
    von Ria

  2. Anja Krezmin

    Liebe Gudrun.
    Tausend Dank wiedermal. Schöner Sonntagseinstieg! Freu mich schon auf Orgel in Echt. Lieben Gruß an Kirsten und schönsten Sonntag. Anja

  3. Anonymous

    Liebes Sonntagsteam,
    danke für die Gedanken Verena. Und danke Gudrun für dieses wirklich obercoole Stück!!!
    Einen schönen Sonntag und kommt gut durch Die Zeit.
    LG Sabine

  4. Perdita

    Liebe Gudrun
    Danke für dieses wunderbare Orgelkonzert. Bei geschlossenen Augen sah ich dich vor mir in unserer Kirche und habe diese Musik, die Lebensfreude und Zuversicht ausstrahlt, wirklich genossen.
    Danke dir dafür.

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