Liebe Sängerinnen und Sänger, liebe Bläserinnen und Bläser,
die Corona-bedingten Einschränkungen treffen uns so unterschiedlich: Manche haben mehr Arbeit, manche weniger bis gar keine. Manche verdienen normal, manche verdienen weniger, manche haben Kosten, die die Einnahmen bei weitem übersteigen und bangen um ihre wirtschaftliche Existenz.
Manche haben ihre Kinder, Eltern und Geschwister seit Monaten nicht gesehen, manche sehen sie täglich und würden sich hier und da mehr Distanz wünschen. Manche wohnen mit vielen Leuten auf wenig Raum und manche wohnen allein und haben gerade jetzt wenig Kontaktmöglichkeit.
Dass wir uns nicht treffen dürfen, ist bitter, auch, dass unsere Chorkontakte und das gemeinsame Singen und Spielen dadurch auch ausfallen. Das ist ja oft mehr als ein schönes Hobby. Wir sind eine Gemeinschaft, Kontakte und Freundschaften in den Chören sind eine unglaubliche Konstante in unserem Leben – oft über Jahre oder sogar Jahrzehnte. Das alles fehlt.
Ich habe glaube ich noch nie in meinem Leben jeden Abend Tagesschau gesehen. Sehnsüchtig erwarte ich auch den morgigen Tag, u.a. wegen der nächsten Konferenz von Bundeskanzlerin Merkel mit den Ministerpräsidenten und ihrer Beschlüsse. Werden die Kontaktbeschränkungen endlich gelockert? Darf man sich wieder mit Freunden treffen? Dürfen Verwandte auf die Insel kommen? Urlaubsgäste? Dürfen Cafés und Restaurants wieder öffnen?
Es dauert dann immer etwa zwei Tage, bis die Beschlüsse über das Land Niedersachsen und den Landkreis Aurich, aber auch über die Hannoversche Landeskirche, auf unsere Situation auf Norderney angepasst werden. Und wie so viele, hoffe ich auf gute Neuigkeiten. Meistens werde ich enttäuscht.
Diese Situation des Nicht-Planen-Könnens ist zusätzlich zermürbend. Nun hat es aber von kirchlicher Seite eine klare Empfehlung gegeben, die ich unten unter „Hintergrundinfos“ darstelle. Der Kirchenvorstand ist in seiner Sitzung gestern Abend dieser Empfehlung gefolgt und hat beschlossen, dass keine Chorproben oder Chorauftritte bis zu den Sommerferien stattfinden werden. Danach muss man schauen, wie die aktuelle Situation und die aktuellen Empfehlungen sind.
Ich bin einerseits dankbar für den klaren Entschluss. Damit kann man planen und handeln. Das ständige Hoffen und dann doch enttäuscht werden entfällt. Andererseits fehlt es mir, mit euch zu musizieren und euch zu treffen und ich war sehr neugierig auf die Saison mit vielen schönen Konzerten mit euch und mit auswärtigen Künstlern.
Neben dieser grundlegenden Entscheidung könnten sich aber in den nächsten Wochen kleine Freiräume bilden. Dürfen die Blechbläser Open Air spielen? Demnächst beginnt ja die Waldkirche… Vielleicht darf man in kleinen Gruppen musizieren. Da könnten sich auch Möglichkeiten ergeben. Ich halte euch natürlich auf dem Laufenden.
Wir dürfen wieder Gottesdienst feiern. Sonntag, 10 Uhr, Inselkirche. Kommt mit Mund-Nase-Schutz-Maske. Die Gottesdienstbesucher dürfen nicht singen, nicht hörbar beten, sollen sowieso überhaupt nichts sagen, müssen 1,5 Meter in jede Richtung Abstand halten. Deswegen werden wir 54 Sitzplätze haben. Aber wir dürfen wieder Gottesdienst feiern. Das ist sehr schön! Konzerte finden aktuell noch nicht statt.
Trotzdem ist es mir wichtig, auch diese Zeit zu gestalten. Für die Kantorei habe ich aktuell leider keine Ideen mehr. Für die Starfish-Singers kommt ab und an noch ein Song und auch noch Infos zu den Songs, die wir in der Probe schon hatten, so dass letztlich Infos zum ganzen Konzertprogramm online stehen sollen. Der Posaunenchor bekommt weiter dezentrale Proben. Und wenn wir wieder mehr dürfen, werden wir sehen, wie wir das für uns schön ausgestalten können.
Ihr Lieben! Es wird eine Zeit nach Corona geben.
Viele Grüße, Gudrun
Hintergrundinfos
Aus einem Artikel der Neuen Musikzeitung 05/2020:
„Chorgesang kann tödlich sein. Als sich die Berliner Domkantorei am 9. März zu einer letzten Probe vor dem großen Shutdown traf, genügten eine unwissentlich infizierte Teilnehmerin und zwei Stunden Probe, um den Chorleiter und 80 Prozent der anwesenden Sänger*innen erkranken zu lassen – eine von ihnen musste auf der Intensivstation beatmet werden. Einen Tag später fanden sich in Mount Vernon im Nordwesten der USA sechzig Chorist*innen zum Singen zusammen. 45 von ihnen erkrankten an Covid-19, zwei verstarben.“
Die beiden erwähnten Fälle werden hier ausführlich dargestellt.
Berliner Domchor
Amerikanischer Chor (Artikel auf deutsch)
Amerikanischer Chor (Artikel auf englisch)
Aus einer Mail des Landeskirchenmusikdirektor (LKMD) Hans-Joachim Rolf, also dem Chef-Kirchenmusiker der Hannoverschen Landeskirche:
„Singen im Gottesdienst sollte unterbleiben. „Normale“ Probenarbeit mit erwachsenen Laienchören ist bis auf Weiteres nicht möglich. Im Kinderchorbereich wird man sich an schulischen Regelungen orientieren.
Wir alle wünschen uns eine planbare Perspektive: Was heißt „bis auf Weiteres?“
Es bedeutet, dass Erkenntnisse über die Pandemie vorliegen müssten, die es erlaubten, das Risiko für Choristen deutlich niedriger einzuschätzen, als es zurzeit möglich ist. Ob und wann das geschieht, ist nicht abzusehen. In der Runde unserer KMD und LPW gehen wir zurzeit davon aus, dass es in diesem Jahr keinen regulären Probenbetrieb im Erwachsenenbereich mehr geben wird.“
In diesem Zusammenhang ist die Aussage des habilitierter HNO-Arztes Jan Löhler wichtig. [Ich kenne ihn persönlich, weil Jan Gemeindemitglied meiner alten Gemeinde in Hamburg-Niendorf ist und mehrere Jahre bei mir im Chor gesungen hat. Er spielt gut Orgel und ist der Kirchenmusik extremst zugewandt!] Hier ist seine Veröffentlichung zur Corona-Problematik:
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